# 6 Es begab sich aber zu der Zeit - ernsthaft?

Überall sehen wir sie jetzt wieder und stellen sie selbst auf – Krippen in allen Größen und Arten. Ein heimeliger Stall mit Ochse und Esel, duftendes sauberes Heu, Hirten und Könige und natürlich Maria und Josef mit dem Jesusbaby in der Futterkrippe...

 

Der Stoff, aus dem Märchen gemacht sind - oder? Denn wie um alles in der Welt kamen denn die Weisen darauf, dass ein neuer Stern am Himmel einen neugeborenen König der Juden ankündigte? Wie konnte ein Stern vor ihnen herziehen und über dem Stall stehen bleiben? Und was war so besonderes an einem Baby in Windeln?

 

Ein kleiner Ausflug in die israelischen Hintergründe und damalige Lebensweise schafft hier eine beeindruckende neue Perspektive und zeigt uns, dass diese so märchenhaft klingende Geschichte sich ohne Probleme wie in der Bibel beschrieben begeben haben kann. Allerdings müssen wir dafür ein paar unserer idyllischen Vorstellungen aufgeben. Also – unternehmen Sie mit mir eine kleine Reise nach Israel, wenige Jahre vor dem Beginn unserer Zeitrechnung...

 

Die Berge und Hügel Israels sind Mitte Oktober sonnenverbrannt, dann beginnt die Regenzeit – bis Mitte April. Im Dezember sind die Wiesen grün und saftig. Es ist eine gute Zeit, die Tiere zu weiden. Auch wenn wir nicht sicher wissen, ob Jesus wirklich im Dezember geboren ist, wäre dies jedenfalls nicht völlig abwegig. Überall in den Bergen Judäas gibt es natürliche Höhlen, die in den Wintermonaten von den Hirten als Unterstand benutzt wurden. Bei Regen konnten die Hirten dort mit ihren Herden Unterschlupf finden und wenn es nicht regnete, konnten sie draußen weiden. Ein solcher Stall war gemeint, wenn es heißt, dass Maria und Josef in einem Stall untergekommen waren. Es war also ein deutlich einsamerer, kälterer, dunklerer und ungemütlicherer Ort als der Stall unter Ihrem Weihnachtsbaum. Logisch, dass jüdische Hirten diese Höhlen kannten und nun, nachdem die Engel ihnen verkündet hatten, dass der Retter geboren war, genau wussten, wo sie zu suchen hatten. Neben der Futterkrippe, die es in solchen Höhlen sicherlich gab, war ein weiteres Erkennungszeichen, dass die Hirten das richtige Kind entdeckt haben würden, jenes: Ein Kind, in Windeln gewickelt. Doch was machte das zu so einem unverkennbaren Zeichen? Ist nicht jedes Baby – besser! – in Windeln gewickelt? Das Wort, das hier mit Windeln übersetzt wird, beschreibt aber etwas ganz anderes: es meint die Stoffstreifen, mit denen man früher Leichen einwickelte. Denn manche solcher Höhlen abseits von Bethlehem wurden für die Vorbereitung auf Begräbnisse genutzt. Es war üblich, in Nischen an den Wänden dieser Höhlen, die man heute noch sehen kann, Stoffstreifen aufzubewahren. Wenn in Bethlehem jemand gestorben war, wurde er in eine solche Höhle transportiert. Dort wurde sein Körper für das Begräbnis vorbereitet und mit den Stoffstreifen eingewickelt. Jesus wurde also in einer solchen Begräbnishöhle geboren und Maria und Josef nutzten, was sie fanden, um das kleine Baby so warm wie möglich zu halten. Die Bedeutung dahinter ist faszinierend: Am Anfang und am Ende seines Lebens hier auf dieser Erde wurde Jesus in Leichenstoffe gewickelt, um uns vor Augen zu malen, was der Grund seines Kommens war: sein stellvertretender Tod, mit dem er für uns die Freiheit von aller Schuld und der damit verbundenen Strafe Gottes erkauft hat! Was für ein wunderbarer Gott, der für unsere Schuld stirbt!

 

Was hatte es mit den mysteriösen Königen auf sich? (Übrigens waren es wahrscheinlich mehr als nur drei.)

 

Es handelte sich nicht einmal um Könige, sondern um Astrologen aus Babylonien. Sie waren Wahrsager - und Heiden durch und durch. Israel war lange Zeit zuvor einmal nach Babylon deportiert worden. Babylonien war wirklich nicht das Lieblingsland der Juden! Bezeichnend, dass heidnische Wahrsager von Gott eingeladen wurden, um diesen außergewöhnlichen Geburtstag mitzufeiern! Es war schon damals ein Zeichen dafür, dass Gott zwar als Jude nach Israel kam, aber dass er durch Israel auch die anderen Nationen segnen würde. Gottes uraltes Prinzip ist auf faszinierende Weise auch in diesem Geschehen eingewoben: in 1. Mose 12,3 lesen wir von diesem Prinzip in dem Versprechen Gottes an Abraham – dem Stammvater der Juden.

 

Aber – woher wussten diese Astrologen nun eigentlich davon? Warum schlossen sie von einem fasinierenden neuen Stern am Himmel auf einen neuen König für Israel?

 

Es ist unklar, ob dieser Stern eine echte Sonne im Universum war, die neu geboren wurde, oder ob sie die Lichtherrlichkeit Gottes war – die Schechinah – die auch im ersten Tempel Israels als sichtbare Gegenwart Gottes wohnte. Vieles spricht dafür, dass es sich um letzteres handelte, denn ein normaler Stern kann weder vor jemandem herziehen, noch über einem Haus stehen bleiben. Es könnte sich zusätzlich aber auch um eine besondere Sternenkonstellation gehandelt haben.

 

Die Astrologen waren gelehrte Männer und verfügten über eine große Bibliothek in Babylon. Genau die beiden Prophetien, die über den Zeitpunkt des kommenden Retters für Israel berichten und seine Ankunft mit einem neu erstrahlendem Stern in Zusammenhang bringen, wurden in Babylon aufgeschrieben bzw. von einem babylonischen Astrologen prophezeit:

 

Daniel, der mit dem israelischen Volk nach Babylonien deportiert worden war, wurde ein enger Berater des dortigen Königs und bekam eine besondere Stellung unter den Astrologen. Sein Buch Daniel – das wir auch in unserer Bibel haben – wurde dort selbstverständlich in der Bibliothek aufbewahrt. Er ist der einzige, der den genauen Zeitpunkt des Kommens des von Israel so sehnsüchtig erwarteten Messias voraussagte (Daniel 9, 24-27).

 

Bileam, ein babylonischer Astrologe, wurde einmal angeheuert, um Israel zu verfluchen. Doch stattdessen legte Gott selbst ihm Prophezeihungen in den Mund. Unter anderem prophezeihte er, dass ein Stern aus Jakob aufgehen würde, dem das Zepter der Köngisherrschaft gegeben würde (4. Mose 24,17).

 

Die Astrologen forschten also in ihren Schriften und konnten das seltsame Phänomen schließlich deuten. Die Nachforschungen und die Reise nach Jerusalem dauerten insgesamt etwa 2 Jahre. Die Weisen aus dem babylonischen Morgenland erschienen also erst, als Jesus etwa 2 Jahre war und haben weder den Stall betreten noch sind sie den Hirten begegnet. In Matthäus 2,16 wird diese späte Ankunft angedeutet und man kann in Matthäus 2,10 gut nachlesen, dass Maria und Joseph inzwischen in einem Haus wohnten. Wahrscheinlich waren sie bei Verwandten untergekommen.

 

Die Astrologen reisten nach Jerusalem, weil dort das Königshaus war. Die Prophetie mit der Information, wo der Messias geboren werden sollte, war ihnen nämlich in Babylon nicht zugänglich gewesen. Denn dass Bethlehem der Geburtstort des Retters Israels sein würde, steht bei einem anderen Propheten, dem Propheten Micha (Micha 5,1).

 

Habe ich Ihnen nun Ihre Weihnachtsstimmung vermiest? Ich hoffe nicht – denn gerade wir Erwachsenen lassen uns von Sagen und Märchen ja längst nicht mehr so verzaubern, wie unsere Kinder, die mit leuchtenden Augen vom Christkind und Weihnachtsmann reden und Weihnachten durch die Brille ihrer ganz eigenen Fantasie erleben und genießen. Wir als Erwachsene sind da schon nüchterner. Wenn die Geschichtsschreiber von damals – Lukas, der das Lukasevangelium schrieb, zum Beispiel – alles fein säuberlich für uns recherchiert und dokumentiert haben, wenn uns das die Juden und später die Mönche und Geistlichen in den nachfolgenden Jahrhunderten sorgsam kopierten und überlieferten – dann handelt es sich hier um Fakten, keine Fakes, die uns erst so richtig in Weihnachtsstimmung versetzen sollten. Es ist wahr – da gibt es wirklich diesen Retter! Er lebt. Und er sucht Sie!

 

 

 

 

Quelle: Das Leben des Messias von Arnold G. Fruchtenbaum